Am 15. Januar 2015 kündigte die Generalstaatsanwaltschaft, die Nationale Polizei der Dominikanischen Republik und das Öffentliche Ministerium den Kampf gegen Lärm / Krach im Lande an. Damit man sich als Bürger auch gegen die Krawallmacher wehren kann darf man sogar den Notruf 911 wählen um Hilfe zu rufen. Die Polizei soll mit Lärmpegelmessgeräten ausgerüstet werden um festzustellen ob es zu laut ist. Vor allem kommt der Krach aus Colmados / Colmadones und Liquer Stores wo Lautsprecher auf die Straße gestellt werden.
Anwohner leiden besonders unter der Beschallung, doch diese kommt nicht nur aus Geschäften. Werbemobile fahren durch Siedlungen, beschallen Wohngegenden ebenso wie Kirchen. Nachbarn einer Kirche waren bisher machtlos, es galt wohl als üblich dass religiöse Gesänge und andauerndes „Halleluja“ Geschrei ein Ausdruck einer Glaubensbekenntnis sei und somit zu dulden. Dem ist nicht so, man will auch Kirchen und vor allem Propaganda-Mobile zur Ruhe bringen, die Gesundheit der Bevölkerung hat Vorrang.
Hat diese Aktion einen Erfolg? In der Dominikanischen Republik ist Krach eine Selbstverständlichkeit, eine Gewohnheit. Es ist eben so, in der Nähe von Colmados geht es laut her, Unterhaltungszentren und Liquer Stores haben offensichtlich Narrenfreiheit. Eines der größten Probleme dürfte die Korruption sein sowie die Hörigkeit vor einflussreichen Personen. Es ist kein Geheimnis, die Polizei greift ab. Wer laute Musik spielen will, der zahlt eine Gebühr. Diese wird monatlich kassiert. Andererseits kommt die Polizei nicht, wenn man sich gegen einen Nachbarn erwehren will der gern Partys feiert – wenn dieser ein Funktionär ist oder eine hohe Persönlichkeit der Region.
Es gibt aber eine nicht geringe Menge an Personen die den Krach einfach brauchen. Von Musik mag man kaum sprechen, es ist nichts mehr als Lärm. Man gibt zwar extrem viel Geld aus, aber es geht nicht um guten Klang, es muss nur LAUT sein, Kreischen und Knarzen der Lautsprecher ist ok, wenn es nur laut ist.
Luis Abreu hat ein Fahrzeug, einen Minibus der Platz bietet für 10 Personen. Doch mit diesem Fahrzeug sind Familienausflüge unmöglich. Mehr als 2 Personen finden nicht Platz, Gepäck mitzunehmen ist ausgeschlossen. Das gesamte Fahrzeug ist beladen mit Verstärkern und Lautsprechern. Jose Bonilla fährt einen Pickup, auch dieser ist nicht für Transporte brauchbar. Der 50jährige Immobilienmakler: wenn ich krank bin, die laute Musik zu hören heilt mich wieder.
Nur 2 Beispiele für eine große Masse an „Musikliebhabern“. Es gibt sogar Wettbewerbe, nicht nur in der Dominikanischen Republik. Ob in Irland oder Puerto Rico, weltweit gibt es diese „Dezibel-Wettbewerbe“. Allerdings kennt man diese „Competitions“ in der DomRep seit mehr als 20 Jahren und es ist keinesfalls eine Außenseiter-Veranstaltung. Berühmte Peloteros nehmen ebenso teil wie Politiker, Unternehmer und Privatpersonen. Allerdings ist es kein günstiges Hobby, Bonilla bestätigt dass seine Ausstattung locker einen Wert von 3 Millionen Pesos hat.
3 Millionen, dafür kann man schon 2 Appartements in Santo Domingo kaufen, die meisten Bürger des Landes können sich nicht mal 1 Wohnung leisten. Die „Chipeos“ (Lautstärke-Wettbewerbe) sind also nicht nur beliebt, es ist ein Hobby für die elitäre Gesellschaft des Landes. Krach als Statussymbol! Man macht nicht nur eine gute Figur im Porsche, es reicht ein Lieferwagen. Vorausgesetzt natürlich, dieser besteht aus Lautsprechern.
Irgendwie erinnert es an die früheren „Manta“- oder „Golf“- Generationen in Deutschland. Statt Spoiler und Fuchsschwanz prahlt man hier mit Lautsprechern. So sieht man dann eine dicke Box auf der Rücksitzbank eines Honda CRX, eines Toyota Corolla oder was auch immer. Die weniger reichen „Krawallmacher“ können zwar nicht Millionen ausgeben, aber wenn man sonst kein Geld hat, schnell mal 1.000 USD oder mehr für Verstärker und Boxen hat man schon.
Dieser Lärm-Wahn ist weit verbreitet. Kaum ein Ort im Land wo man nicht dieses Equipment kaufen kann um sein Fahrzeug zu tunen. Leoncio Tavarez ist Direktor von „Musica del Cibao“, einem der größten Importeure für Musikzubehör wie Lautsprecher, Kabel, Verstärker. Mehr als 800 Geschäfte beliefert Tavarez, was eindeutig zeigt wie gut und beliebt dieses „Zubehör“ ist. Doch nicht nur der Handel, auch die Installation dieser Gerätschaften ist ein Geschäft. Franklin Ruiz ist ein Mechaniker mit 28 Jahren Berufserfahrung. Er hat schon Anlagen für 5.000 RD$ eingebaut, aber auch für 7 Millionen Pesos.
Ruiz installiert Lautsprecher von 2.500 RD$ bis zu 40.000 RD$, er nennt es ein „Fieber“ welches seine Kunden haben. Diese kommen manchmal monatlich vorbei um ihre Ausrüstungen zu verbessern. Tweeter, Batterien, Stabilisatoren und viele Dinge mehr kann man nachrüsten, das Hobby kennt keine Grenzen nach oben.
In der Dominikanischen Republik gibt es regelmäßig Wettbewerbe. Auf dem alten Flughafengelände in Herreira, am Malecon (Feria de Ganadero) oder auch in Jarabacoa (Av. Confluencia). Dutzende von Fahrzeugen locken hunderte von Schaulustigen an die sich hier gerne volldröhnen lassen. Leider geht es nicht um Klang und saubere Töne, gemessen wird der Schalldruck. Brummen und Dröhnen reicht aus, nur laut muss es sein.
Diese Wettbewerbe sind auch eine Werbeplattform, viele der ausgestellten Fahrzeuge sind im Besitz von Unternehmen die Lautsprecher und Verstärker verkaufen. Man lockt also die Zuschauer und will diese auch mit dem „Krach-Virus“ infizieren.
Die erreichten Schalldruckwerte sind jenseits der Schmerzgrenze. Diese ist bei 140 Dezibel erreicht, doch hier bei den Wettbewerben stehen Fahrzeuge die locker ihre 145-160 Dezibel erreichen. Es müsste unter Körperverletzung fallen, denn die meisten Besucher verwenden keinen Gehörschutz. Die Veranstalter sagen dass diese Beschallungen keinerlei Gefahr bedeuten. HNO-Ärzte jedoch bestätigen dass bei diesen Lautstärken das Hörvermögen (im Bereich der hohen Töne) nachlässt oder gar verloren geht. Diese Schäden am Gehör sind irreparabel, können bis zur Taubheit führen.
Damit wäre man wieder am Anfang der Geschichte. Die gesundheitliche Belastung für Herz (Blutdruck) und Nerven ist hoch. Aggressionen und Depressionen, die Liste der gesundheitlichen Schäden verursacht durch Lärm, ist lang. Gut, wenn man nun in der Dominikanischen Republik endlich das Problem erkannt hat. Doch wie lange wird man Kontrollen durchführen? Schon jetzt, nur wenige Wochen nach Einführung des Notrufsystems für Lärmanzeigen, erreichen diese 92% aller Notrufe. Es zeigt, dass die Allgemeinheit der Bevölkerung die Ruhe zu schätzen weiß, doch kommt man gegen die Minderheit der „Lärm-Fans“ an?