Zwischen Realität und Propaganda liegen Welten und es ist kein Geheimnis: Sehr viele Menschen in der Dominikanischen Republik leben in Armut, mehr als 10 % gar in extremer Armut. Ein altes Sprichwort sagt: „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist den Taler nicht wert“. Pfennige und Taler gibt es nicht, es gilt jedoch auch bei dem Cent, wer sich in kleinen Dingen zu großzügig zeigt, der wird nie zu etwas kommen. Ein anderes Sprichwort bewahrheitet sich da ebenfalls: Auch Kleinvieh macht Mist! Diese typisch deutschen Sprichwörter kennt man nicht in der Dominikanischen Republik, hier ist man arm, hier ist man lebensfroh, gelassen und vor allem hat man seinen Stolz! Da spielt das Wechselgeld keine Rolle.
Egal wo man Preise sieht, an der Tankstelle, im Supermarkt, bei der Strom- oder Telefonrechnung, es gibt neben dem Peso immer noch die Centavos. 100 Centavos sind ein Peso, man mag denken, da spielt es doch keine Rolle. Aus diesem Grund hat sich das Aufrunden eingebürgert, die mathematische Grundregel, dass man unterhalb des Wertes „5“ auch abrundet, ist in der DR nicht verbreitet. Selbst bei den Pesos wird gern von Händlern, Dienstleistern und anderen Rechnungsschreibern gern aufgerundet. Eine Rechnung von 92 Pesos wird mit 95 Pesos abgerechnet, oder gar 100. Sehr häufig wird als Entschuldigung das fehlende Wechselgeld angegeben.
„Devuélveme mi Peso“ (gib mir meinen Peso) hört man nicht an den Kassen, stillschweigend akzeptiert der Kunde diese Abzocke. Es mag pingelig klingen, sich wegen der 2-3 Pesos aufzuregen, doch in einem Supermarkt mit vielleicht nur 1000 Kunden am Tag, macht dies schnell mindestens 2.000 RD$ mehr am Tag aus. Bei 30 Tagen im Monat sind das beachtliche 60.000 RD$, damit kann der Supermarkt – Besitzer locker 4 Kassiererinnen den Lohn bezahlen! Kleingeld, dass dem Kunden zusteht.
Der Dominikaner reklamiert nicht, aus Eitelkeit und Stolz. Das Reklamieren vom Wechselgeld wird als Geiz angesehen, als sei man ein ganz armer Mensch, der auf diesen Peso angewiesen ist. Diese Blöße wird sich ein Dominikaner nicht geben. Es gilt die Regel BAM (Bulto, allanté y movimiento / Tüte, vorwärts, Bewegung). Das bedeutet: Nimm Deine Tüte und bewege dich vorwärts.
Vor einiger Zeit gab es als Ersatz noch statt des angeblich fehlenden Wechselgeldes ein Chiclet (Kaugummi). Hier ging die Rechnung ebenfalls zu Gunsten des Handels aus, denn das Kaugummi kostete im EK 1 Peso, wurde dem Kunden aber beim Wechselgeld mit 2 Peso (VK) berechnet. Immer noch ein Nachteil zu Lasten des Verbrauchers. Diese Situation wurde sogar in einer sehr erfolgreichen Komödie aufgegriffen (Ladrones a Domicilio, 2008). Wie peinlich es ist, wenn jemand an der Kasse sein Wechselgeld reklamiert und keine Kaugummis will, wird in dieser Komödie sehr authentisch wiedergegeben.
In der DomRep kennt man die mathematischen Regeln des Auf- und Abrunden nicht. Selbst Jose Luis Magadan, Präsident von ONEC (Nationale Organisation Kaufmännischer Unternehmen) gesteht ein, dass es seitens der Innung keine Vorschriften gibt, die das Auszahlen von Wechselgeld regelt. Somit ist es jedem Händler / Dienstleister tatsächlich überlassen, wie er es mit dem Wechselgeld handhabt.
Was wenige Menschen wissen, der Centavo hat auch heute noch seine Gültigkeit. Dies bestätigt Volkswirtschaftler Miguel Collado von CREES (Regionales Zentrum für Wirtschaftsstrategien). Das Verschwinden der Centavos war ein natürlicher Prozess der Inflation, so Collado. Die Landeszentralbank (BCRD) bestätigt, dass die Münzen nicht entwertet wurden, somit auch heute noch ihre Gültigkeit haben. Der Handel muss sie akzeptieren, wenn ein Kunde damit bezahlen möchte. Die Landeszentralbank hat die Centavos im Tresor, man kann sie bei Banken beantragen. Es werden jedoch keine neuen Münzen mehr geprägt, denn die Herstellung liegt deutlich über dem tatsächlichen Wert der Münze.
Wer dem Problem „Wechselgeld“ entgehen möchte, der kann mit der immer mehr in Gebrauch kommenden Zahlungsmethode „Karte“ das Problem lösen. Rechnungen, die mit Debit- und Kreditkarten bezahlt werden, buchen Banken auf den Centavo genau vom Konto ab.
Der Centavo hatte in alten Zeiten den Namen „Chele“, ein Begriff, der immer mehr im Sprachgebrauch verschwindet, wie auch im wirklichen Handel. Alejandro Fernandez, Geschäftsführer bei Argentarium, hält das Aufrunden der Rechnungen, was ja zu Ungunsten des Kunden ist, angesichts der Inflation für falsch. Leider teilen seine Ansicht die wenigsten Geschäftsleute. Für sie sind es nicht nur Chele, in der Summe kommt man im Laufe einer Tagesabrechnung / Monatsabrechnung auf sehr hohe Summen.
Im Jahr 2013 gab es im Abgeordnetenhaus einen Gesetzvorschlag, dass man die Centavos bei Preisen abschafft. Vor den Parlamentariern hat der Statthalter der BCRD, Hector Valdez Albizu sich allerdings gegen die Änderung im monetären System der DomRep ausgesprochen, mit der Begründung, dass der Verzicht auf Centavos Verwicklungen mit Ländern erzeugen könnte in die Waren exportiert werden.